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Empirische Methode der Anforderungsanalyse, bei der intendierte Benutzer eines Systems in ihrem typischen Arbeitskontext beobachtet und zu relevanten bzw. kritischen Schritten befragt werden.
 

Ziele

Mit dem kontextuellen Interview soll Wissen über Nutzer bzw. den gesamten Nutzungskontext (Nutzer, Arbeitsaufgaben, Arbeitsmittel, soziale und physische Umgebung (vgl. ISO 9241-11)) einer Software erlangt werden. So können anschließend Anforderungen an die Software, die sich konkret aus dem speziellen Nutzungskontext ergeben, abgeleitet werden.

 

Beteiligte

Teilnehmer (Welche externen Teilnehmer sind eingebunden?)

  • 1 Testperson pro Benutzergruppe

Organisator (Welche internen Teilnehmer sind eingebunden?)

  • Mindestens 1 Person als Observator/Interviewer; Empfehlung: 2 Personen
 

Vorgehen

Vorbereitung

Beim kontextuellen Interview geht es nicht einfach darum, möglichst viele Informationen zu sammeln, sondern strukturiert relevante und zuvor festgelegte Fragestellungen zu beantworten.

Bevor ein Analyst mit den Benutzern spricht, stellt sich das Projektteam daher die Frage, welche Aspekte in Bezug auf das neue System wichtig sind. Im Fokus können z. B. Fragen zu aktuellen Lösungen, den Tätigkeiten der Nutzer und der Nutzungsumgebung stehen. Daraus sollte ein Interview-Leitfaden hervorgehen, an dem sich der Observator/Interviewer später orientieren kann.

Bezüglich der anschließenden Akquise der Interview-Partner sollte darauf geachtet werden, dass diese möglichst die relevanten Benutzergruppen abdecken können. Optimal wäre es auch, Testpersonen zu finden, die in ihren Eigenschaften (z. B. Geschlecht, Arbeitsorte, kulturelle Prägungen) variieren.

Durchführung

Das eigentliche Kontextuelle Interview findet bei der Arbeit der Testpersonen statt. Die Situation sollte an die Realität bzw. den eigentlichen Nutzungskontext der neuen Lösung soweit wie möglich heranreichen.

Vor Ort beobachtet der Observator/Interviewer, wie der Proband seiner Arbeit nachgeht. Währenddessen stellt er Fragen, z. B. einzelnen Arbeitsschritten. Aber auch auf den vorab aufgestellten Leitfaden kommt der Interviewer immer wieder zurück.

Der Interviewer erhält dabei Einblick in die Gedanken des Nutzers, die hinter seinen Handlungen liegen, und kann von dessen Expertenwissen profitieren, sodass Problemstellen und Verbesserungsmöglichkeiten aufgedeckt werden. Falls schon erste Ideen und Prototypen für eine neue Lösung existieren, können diese oder andere alternative Produkte in die Diskussionen einbezogen werden.

Nachbereitung

Im Nachgang an das Interview sollten die Ergebnisse strukturiert dokumentiert werden. D. h. die Antworten zu den vorab aufgestellten Fragen müssen identifiziert und entsprechend zugeordnet werden. Generell sollten alle gesammelten Erkenntnisse zum Nutzungskontext strurkturiert hinterlegt werden.

Oftmals können nicht alle Fragestellungen in einem einzigen Kontextuellen Interview beantwortet werden. Zum einen sind noch nicht alle Fragen von Anfang an bekannt und ergeben sich erst nach und nach im Projektverlauf. Zum anderen sind die Fragen zu Beginn eines Projekts meist breiter und allgemeiner und werden erst mit der Zeit spezifischer. Es macht also durchaus Sinn, iterativ vorzugehen und nach Möglichkeit mehrere Interview-Runden durchzuführen.

 

Ergebnisse / Output

  • Antworten auf die zuvor aufgestellten Fragen zum Nutzungskontext der Software
  • Ggf. Fotos vom Nutzungskontext
 

Praxis

Im realen Kontext befragen: Die Befragung sollte unbedingt im realen Nutzungskontext erfolgen, da es für die Nutzer/Testpersonen dort viel leichter ist, sich an wichtige Aspekte zu erinnern. Aktionen können einfach vorgeführt anstatt umständlich und lückenhaft beschrieben werden. Der Observator kann das Geschehen so detaillierter erfassen und Zusammenhänge besser erkennen. Für die Konzeption der Software ist eine solch umfangreiche Analyse besonders wertvoll.

Früh und gründlich durchführen: Analysiert man den Nutzungskontext bereits früh im Projekt gründlich, hat man eine bessere Grundlage für erste Konzepte geschaffen. Später kann man die Ergebnisse bei Bedarf mit kleineren Analysen ergänzen.

Transparenz: Die Testpersonen fühlen sich wahrscheinlich sehr unwohl, wenn sie beobachtet werden, aber nicht genau wissen, wozu dies eigentlich gemacht wird. Das Vorgehen und die Ziele des kontextuellen Interviews sollten daher offen mit den Teilnehmern besprochen werden.Wenn Sie z. B. Fotos machen möchten, sollte vorher unbedingt um Erlaubnis gefragt werden.

Fragestellung im Auge behalten: Während des Kontextuellen Interviews sollte man unbedingt die zuvor gewählten Fragestellungen im Hinterkopf haben und immer wieder darauf zurückkommen. So vergisst man nichts, vertieft sich aber auch nicht zu sehr in weniger relevante Aspekte.

Festhalten, worauf Erkenntnisse zurückzuführen sind: Man sollte nicht nur Erkenntnisse notieren, sondern auch festhalten, wie man zu ihnen gelangt ist. Nur so kann man später entsprechende Entscheidungen in der Lösungsentwicklung begründen (z. B. vor dem Auftraggeber).

 

Quellen

  • Richter, M. & Flückiger, M. D. (2013). Usability Engineering kompakt – Benutzbare Software gezielt entwickeln. 3. Auflage. Berlin: Springer Verlag
 
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