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Nutzungsanforderungen beschreiben, was ein interaktives System aus Sicht des Benutzers ermöglichen soll. Sie können qualitativ oder quantitativ sein und werden von Erfordernissen abgeleitet. Sie dienen als Usability‐Ziele, die nicht nur die Gestaltung lenken, sondern auch als Evaluationskriterien eingesetzt werden, da die an das System gestellten Anforderungen schließlich auch auf ihre Erfüllung überprüft werden müssen.
Dieses Vorgehen eignet sich sehr gut bei der Entwicklung mobiler Software, zumal bei der Erhebung von Nutzungsanforderungen auf vorab ermittelte Erfordernisse zurückgegriffen wird, und die hier häufig spezielle Nutzungsumgebung so miteinbezogen wird.

Ziele

Durch das Aufstellen von Nutzungsanforderungen soll herausgearbeitet werden, welchen Anforderungen das zu entwickelnde Produkt gerecht werden muss. Des Weiteren dienen die Nutzungsanforderungen als Usability-Ziele, die die Grundlage für die Produkt-Evaluation bilden.

 

Beteiligte

Organisator (Welche internen Teilnehmer sind eingebunden?)

  • 1 Person zur Erhebung der Nutzungsanforderungen
  • ggf. eine weitere Person (intern oder extern) zur Evaluation
 

Vorgehen

Vorbereitung
Nutzungsanforderungen basieren auf bereits ermittelten Erfordernissen. Diese sollten vorab im Rahmen von Interviews, Beobachtungen etc. identifiziert worden sein.

Durchführung
Zuvor aufgestellte “Erfordernisse werden […] in Nutzungsanforderungen, die den Nutzungskontext, Benutzerprioritäten sowie das Wechselspiel mit anderen Anforderungen und – Einschränkungen mit berücksichtigt“, transformiert. 

Beispiel:

  • Erfordernis: Ein Autofahrer muss während einer Autofahrt jederzeit im Bilde sein, wie viele Kilometer er mit der aktuellen Tankfüllung fahren kann, um rechtzeitig nachtanken zu können.
  • Nutzungsanforderung (quantitativ): 99 % der Nutzer, die regelmäßig Auto fahren, müssen während der Fahrt innerhalb von 5 Sekunden nachschauen können, wie viele Kilometer sie mit der aktuellen Tankfüllung noch fahren können.

Bei den Nutzungsanforderungen/Usability-Zielen wird zwischen qualitativ und quantitativ unterschieden. 

  • Qualitative Nutzungsanforderungen
    Bei qualitativen Nutzungsanforderungen geht es darum, was die Benutzer während ihrer Aufgabenerfüllung erkennen, auswählen oder eingeben können müssen. „Qualitative Nutzungsanforderungen sind keine Funktionen, sondern stellen die Basis für Funktionen dar.“ Vor allem bei der grundlegenden Gestaltung und Konzeption einer Anwendung geben qualitative Nutzungsanforderungen/Usability-Ziele die Richtung vor.
  • Quantitative Nutzungsanforderungen
    Eine quantitative Nutzungsanforderung ist hingegen die „[g]eforderte Leistung, die die Basis für Design und Evaluierung eines interaktiven Systems darstellt, mit dem Ziel, identifizierte Erfordernisse zu befriedigen.“ Der Fokus liegt somit auf der Überprüfung der Effizienz, mit der die Nutzungsanforderungen mit dem System erfüllt werden können. Bei quantitativen Nutzungsanforderungen bzw. Usability-Zielen (engl. Usability goals) gilt es nicht nur, den Benutzer näher zu definieren, sondern auch zu bestimmen, mit welchem Maß/welcher Metrik (engl. measure) gemessen werden soll. Außerdem muss ein Schwellenwert (engl. threshold) festgelegt werden, der angibt, wann das gesteckte Usability-Ziel erreicht wurde. Quantitative Nutzungsanforderungen/Usability-Ziele werden nicht nur als Gestaltungsrichtlinien, sondern vor allem auch als Akzeptanzkriterien bei der Evaluation einer Software bzw. eines Prototyps herangezogen, da sie objektiv und messbar sind.
  • Weitere Unterscheidungen von quantitativen Nutzungsanforderungen
    Bei den quantitativen Nutzungsanforderungen/Usability-Zielen lassen sich zusätzlich folgende verschiedene Typen bzw. Ausprägungen feststellen:
    • Easee-of-Use vs. Ease-of-Learning:
      Liegt bei einem Usability-Ziel der Fokus auf Ease-of-Use bedeutet dies, dass man Anforderungen aus der Sicht erfahrener Nutzer aufstellt. D.h., die Anwender nutzen die Software häufiger und kennen diese bereits bzw. sind entsprechend geschult. Dies ist z.B. bei komplexer, betrieblicher Software der Fall. Ease-of-Learning-Ziele sind dagegen auf unerfahrene Nutzer ausgerichtet, die das System noch nie oder selten genutzt haben bzw. dieses nur spontan nutzen. Dies ist z.B. häufig bei CarSharing-Anwendungen der Fall.
    • Absolut vs. Relativ:
      Bei allen quantitativen Nutzungsanforderungen handelt es sich entweder um absolute oder relative Ziele. Bei absoluten Zielen ist der Schwellenwert absolut quantifizierbar, d. h. es wird beispielsweise auf eine bestimmte Klickzahl pro Aufgabe verwiesen. Handelt es sich um ein relatives Ziel, steht der Schwellenwert, der erreicht werden soll, in Relation zu anderen Werten. Dabei handelt es sich beispielsweise um die benötigte Zeit zur Aufgabenlösung mit einem Konkurrenz-Produkt und einer vorherigen Version der Anwendung.
    • Leistungsziele, Präferenzziele und Zufriedenheitsziele:
      ​Quantitative Usability‐Ziele lassen sich außerdem in Leistungs‐, Präferenz‐ oder Zufriedenheitsziele unterteilen. Es besteht dabei nicht zwingend eine Korrelation bezüglich der Erreichung von Leistung‐, Präferenz‐ oder Zufriedenheitszielen. Leistungsziele fokussieren auf die Leistung der Nutzer, welche bei der Benutzung des Produkts zur Zielerreichung erbracht werden soll und quantifiziert diese. Bei Präferenzzielen steht die Nutzerpräferenz bezüglich verschiedener Produkte im Vordergrund. Zufriedenheitsziele zielen schließlich auf die Zufriedenheit der Nutzer mit einem bestimmten Produkt ab.

Nachbereitung
Sind die Nutzungsanforderungen aufgestellt, können sie als Usability‐Ziele im weiteren Projektverlauf herangezogen werden, um das entstehende Produkt jederzeit darauf zu überprüfen, ob es den beabsichtigten Anforderungen gerecht wird.

 

Ergebnisse/Output

  • Ausformulierte Nutzungsanforderungen
 

Praxis

Anwendungsbeispiele
Beispiele für die unterschiedlichen Typen von Nutzungsanforderungen können wie folgt aussehen:

  • Qualitative Nutzungsanforderungen:
    „Der Benutzer muss die unterschiedlichen Fahrzeuge, die für einen bestimmten Preisbereich auf der Autovermietungswebseite verfügbar sind, vergleichen können.“
  • Quantitative Nutzungsanforderungen: 
    „80% der Benutzer, die die Autovermietungswebseite zumindest zweimal benutzt haben, müssen in der Lage sein, innerhalb von 5 Minuten einen Kleinwagen ab Flughafen Frankfurt (Deutschland) für zwei Tage beginnend ab morgen 9:00 Uhr zu mieten.“
    • Ease-of-Use:
      Ein erfahrener Nutzer (hatte eine Einweisung in die Anwendung und benutzt diese regelmäßig mindestens 2 Mal pro Woche) soll in maximal 30 Sekunden einen bereits angelegten Fall aufrufen und einsehen können.
    • Ease-of-Learning:
      Ein unerfahrener Nutzer (erste Nutzung) soll in maximal 2 Minuten überprüfen können, ob der gewünschte Fahrzeugtyp zum gewünschten Zeitraum zur Vefügung steht und gebucht werden kann.
    • Absolute Ziele:
      Ein erfahrener Nutzer (hatte eine Einweisung in die Anwendung und benutzt diese regelmäßig mindestens 2 Mal pro Woche) soll mit maximal 2 Klicks (ausgehend vom Startbildschirm) einen neuen Fall anlegen können.
    • Relative Ziele:
      Ein erfahrener Nutzer (hatte eine Einweisung in die Anwendung und benutzt diese regelmäßig mindestens 2 Mal pro Woche) soll mit Version 2 der Anwendung ein Foto von einem Beweisstück schneller aufnehmen können als mit Version 1.
    • Leistungsziele:
      Ein erfahrener Nutzer (hatte eine Einweisung in die Anwendung und benutzt diese regelmäßig mindestens 2 Mal pro Woche) soll in maximal 5 Minuten (ausgehend vom Startbildschirm) einen Tatort anlegen und einem bestehenden Fall zuordnen können.
    • Präferenzziele:
      Mindestens 70 % der erfahrenen Nutzer (mindestens dritte Nutzung und vorheriges Training) sollen angeben, dass sie Version 2 der Textverarbeitungssoftware der Version 1 vorziehen.
    • Zufriedenheitsziele:
      „Unerfahrene Nutzer (nach der ersten Nutzung ohne vorheriges Training) müssen ihre Zufriedenheit mit der Erlernbarkeit der Anwendung durchschnittlich mit 4 („Sehr zufrieden“) auf einer 5‐stufigen Skala bewerten, bei der 1 „Überhaupt nicht zufrieden“ und 5 „Vollkommen zufrieden“ bedeutet.“ (aus dem Englischen übersetzt von).
       
 

Quellen

 

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